Psychische Erkrankungen können durch das Alleinewohnen begünstigt werden

Alleinewohnen kann psychische Erkrankungen begünstigen. Erfahren Sie, wie Einsamkeit die Psyche beeinflusst.

Die Anzahl der Einpersonenhaushalte steigt ständig; ein Lebensmodell, das nicht von jedem Alleinlebenden freiwillig gewählt wird. Wissenschaftler der französischen Universität Versailles Saint-Quentin-en-Yvelines erforschten die Auswirkungen des Alleinewohnens auf die psychische Gesundheit und veröffentlichten ihre Ergebnisse vor kurzem im Fachblatt „Plos One“. Untersucht wurden Bürgerinnen und Bürger aus England, dem Land, das 2018 eine Einsamkeitsministerin erhielt.

Die Forschergruppe wertete Daten von zirka 20.500 Personen im Alter zwischen 16 und 64 Jahren aus, die entweder 1993, 2000 oder 2007 an der „National Psychiatric Morbidity“-Erhebung in England teilgenommen haben. Fragebögen und Interviews, die die Lebenssituation und die psychische Gesundheit abfragten, dienten als Datengrundlage. Eine wichtige Frage für die anschließende Auswertung der Studie war die, der empfundenen Einsamkeit. Denn das Gefühl, einsam zu sein, kann auf die Psyche auf Dauer negative Auswirkungen haben. Es steht im Gegensatz zu der Lebenshaltung und Gefühlslage der Menschen, die sich bewusst für das Alleinsein und -wohnen entschieden haben und diesen Zustand für sich als positiv empfinden.

Alleinlebende mit Einsamkeitsempfinden entwickeln statistisch gesehen 1,5 bis 2 Mal häufiger eine psychische Erkrankung

Zwischen den jeweiligen Untersuchungsjahren wurde ein Anstieg der Einzelpersonenhaushalte von 8,8 auf 9,8 bis hin zu 10,7 Prozent verzeichnet. Im selben Zeitraum wuchs die Rate psychischer Erkrankungen von 14,1 auf 16,3 bis hin zu 16,4 Prozent. In allen drei Umfragen stellten die Forscher der Studie einen statistischen Zusammenhang – unabhängig von Alter und Geschlecht der Befragten – zwischen dem Alleinleben und der Verbreitung psychischer Erkrankungen fest. Besonders unter denjenigen angaben, sich einsam zu fühlen, bestand statistisch ein erhöhtes Risiko, psychisch krank zu werden.

Was in der Studie nicht berücksichtigt wurde, ist der Auftrittsmoment der Erkrankung. Nicht erforscht ist also, ob die Krankheit schon vor oder erst nach dem Wechsel in einen Einpersonenhaushalt auftrat. Dennoch stützen die Ergebnisse dieser neuen Studie die bisherigen Erkenntnisse der Einsamkeitsforschung: Sie kann das Entstehen von psychischen Beschwerdekomplexen begünstigen, vor allem unter den Personen, die von Einsamkeitsgefühlen berichteten.

Einsamkeit in Deutschland: Wir liegen über dem EU-Durchschnitt der Einpersonenhaushalte

Allein in Deutschland waren 2016, laut Angaben des statistischen Bundesamtes, 41 Prozent der deutschen Haushalte Einpersonenhaushalte. Der Schnitt in der EU betrug in diesem Jahr 33 Prozent. Jüngst erfolgten Recherchen der Rheinischen Post zufolge, stieg zwischen 2011 bis 2017 bei den 45- bis 84-Jährigen die Quote derer, die sich einsam fühlen, um rund 15 Prozent. 9,2 Prozent der Erwachsenen ab 45 Jahren fühlten sich 2017 einsam. Auch bei Jugendlichen ist das Gefühl der Einsamkeit bereits verbreitet: Jeder vierte unter den Befragten bestätigte, sich manchmal oder selten einsam zu fühlen. Diese Zahlen lieferte die Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP hin. (Quelle: www.tagesschau.de)

Wann wird Rückzug krankhaft? Aufmerksamkeit kann helfen!

In der BetaGenese Klinik in Bonn werden psychosomatische Symptomkomplexe ganzheitlich und individuell behandelt. „Einsamkeit ist zwar keine Krankheit, kann sich aber, wie die Forschung und auch der Klinikalltag beweisen, negativ auf die Gesundheit auswirken“, erklärt Carsten Albrecht, leitender Oberarzt der BetaGenese Klinik in Bonn. „Dabei kann etwas mehr Miteinander im Alltag hier schon helfen, dass zumindest das Gefühl des Alleinseins nicht krankhaft, also therapierungswürdig, wird.“

In der Therapie in der BetaGenese Klinik lernen die Patientinnen und Patienten durch die Arbeit in der Gruppentherapie, dass sie mit ihren Sorgen, Nöten und Beschwerden nicht allein sind. Und wie sie die Einsamkeitsgefühle und daraus resultierende depressive Episoden bewältigen können. „Es ist nach wie vor ein Tabuthema, das leider die Isolation als Ursache und Wirkung hat. Wer sich einsam fühlt, zieht sich häufig zurück und verschweigt dieses Gefühl in unserer vermeintlich vernetzten Welt. Und so beginnt der Teufelskreis,“ schließt der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. „In unserem multiprofessionellen und multimodalen Therapiekonzept lernen unsere Patientinnen und Patienten wieder Kontakt- und Lebensfreude zuzulassen und ihre Gefühle zu artikulieren und zu verarbeiten.“

 

Die englischsprachigen Studienergebnisse auf Plos One können Sie hier einsehen.

 

Lesetipps zur Studie:
www.spiegel.de
www.taz.de
www.aerzteblatt.de

 

Bild: Fernando @cferdo auf Unsplash