Tabuthema: Selbstverletzungen bei Jugendlichen

Eine rätselhafte Sucht

In Deutschland hat sich unter Jugendlichen ein alarmierendes Phänomen ausgebreitet – rund ein Drittel von ihnen hat bereits bewusst Selbstverletzungen vorgenommen. Diese Praxis, auch als „Nicht-suizidales selbstverletzendes Verhalten“ (NSSV) bekannt, umfasst Handlungen wie das Ritzen mit Fingernägeln, Rasierklingen oder Glasscherben, oft auch das absichtliche Verbrühen oder Verbrennen der Haut. Die drängende Frage: Warum greifen junge Menschen zu solch schmerzhaften Handlungen an sich selbst und wie können sie einen gesünderen Umgang mit ihren Gefühlen finden?

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Die Motivation hinter selbstverletzendem Verhalten

Daniel Kosak, stellvertretende Pflegeleitung der BetaGenese Klinik, erklärt, dass Jugendliche, die sich selbst verletzen, eine außergewöhnlich starke Wahrnehmung negativer Emotionen haben. „Diese intensiven Gefühle treiben sie dazu, sich selbst Schmerzen zuzufügen. Die Problematik ist komplex. Es passiert bei einem hohem Anspannungs- oder besser Überspannungszustand als Regulation der Gefühlen, die die Patienten:innen nicht anders kontrollieren können – wie ein ´Ventil bei Überdruck´. Die seelische Spannung muss abgebaut werden. Der Schmerz durch Selbstverletzung schafft kurzfristig Entlastung. Wichtig ist, dass die Patient:innen lernen, den Druck anderweitig zu bewältigen, beispielsweise durch Skills. Leider verspüren manche Patienten:innen durch die Ausschüttung von Endorphinen nach der Selbstverletzung Glücksgefühle. Dadurch wird das Verlangen nach Wiederholung geschürt.“

Doch es gibt noch ein tieferes Motiv. „Es scheint, dass in ihnen ein grundlegendes Bedürfnis nach Kontrolle besteht. In Momenten, in denen das Leben ihnen keinen Halt bietet, suchen sie diesen in der Macht über ihren eigenen Schmerz“, berichtet der erfahrene Gesundheits- und Krankenpfleger für Psychiatrie. Obwohl es sich um eine schmerzhafte Realität handelt, ermöglicht ihnen diese grausame Praxis zumindest eine gewisse Regie über ihr eigenes Empfinden.

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„Die alarmierenden Statistiken und die erschreckende Realität dürfen wir nicht ignorieren. Es liegt in unserer Verantwortung, den Jugendlichen Unterstützung anzubieten, damit sie lernen, auf gesündere Weise mit ihren Emotionen umzugehen. Die Zeit ist gekommen, dieses Tabuthema anzugehen und ihnen einen Ausweg aus diesem gefährlichen Kreislauf aufzuzeigen.“

Selbstverletzung: Ein Teufelskreis, der früh beginnt

Schulstichproben haben ergeben, dass 25-35 Prozent der Jugendlichen erst im Alter zwischen 13 und 15 Jahren mit selbstverletzendem Verhalten beginnen (Quelle: Deutsches Ärzteblatt, PP6, Ausgabe November 2007, Seite 517). Dennoch können die Wurzeln dieser Art des Umgangs mit emotionalem Druck bereits in der Kindheit liegen. Wenngleich nur wenige Jugendliche den Wunsch nach Aufmerksamkeit explizit äußern, versuchen die meisten von ihnen ihre Wunden zu verbergen. Für Eltern gestaltet sich der Umgang mit den Selbstverletzungen ihrer Kinder oft schwierig.

Die Ursachen für die hohen Zahlen in Deutschland sind bisher noch nicht vollständig erforscht. Es wird angenommen, dass beim ersten Kontakt mit selbstverletzendem Verhalten eine Art soziale Ansteckung stattfindet, sei es durch Freundinnen oder Klassenkameraden. Zudem existieren auf Social Media Plattformen Apps, Blogs und YouTube-Videos, in denen Jugendliche sich über Selbstverletzung austauschen. Die Präsentation von selbstverletzendem Verhalten hat sich besonders in den bei Jugendlichen beliebten Communities und Videoplattformen zu einem Trend entwickelt. (Quelle: Brown, Fischer, Goldwich, Keller, Young & Plener (2018)) Bisher gibt es jedoch keine zuverlässigen Daten, die darauf hindeuten, dass diese Kanäle das selbstverletzende Verhalten verstärken könnten.

Geschlechterunterschiede im selbstverletzenden Verhalten

Auf den ersten Blick scheint selbstverletzendes Verhalten hauptsächlich bei Mädchen anzutreffen zu sein. Doch eine nähere Betrachtung offenbart, dass auch junge Männer in erheblichem Maße betroffen sind. Das Verhältnis zwischen den Geschlechtern liegt hierbei bei etwa 40 zu 60. Allerdings suchen junge Männer seltener Hilfe und verbergen ihr selbstverletzendes Verhalten. Manchmal kanalisieren sie ihre Aggressionen nicht gegen sich selbst, sondern gegen andere Personen.

Subtile Formen von Gewalt als Risikofaktor

  • Selbstverletzendes Verhalten kann durch verschiedene Arten von Gewalt verursacht werden.
  • Subtilere Formen von Gewalt können ausreichen, um selbstverletzendes Verhalten hervorzurufen.
  • Emotionale Misshandlung von Kindern ist ein direkter Risikofaktor für selbstverletzendes Verhalten.
  • Herabwürdigungen, Missachtung emotionaler Bedürfnisse und Vergleiche mit Geschwisterkindern sind Beispiele für emotionale Misshandlung.
  • Selbstverletzendes Verhalten tritt oft zusammen mit anderen psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Borderline Störungen auf.
  • Obwohl selbstverletzendes Verhalten in der Regel nicht als Selbstmordversuch betrachtet wird, ist ein beträchtlicher Prozentsatz der betroffenen Jugendlichen suizidgefährdet

„Skill-Boxen“ als Hilfsmittel gegen den Drang zum Ritzen.

Auch in der BetaGenese Klinik setzt man auf die Methode aus der Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT). Die Therapeuten:innen erarbeiten gemeinsam mit den Patienten:innen individuelle „Skill Boxen“, kleine Behältnisse, die Hilfsmittel gegen den Drang zum Ritzen enthalten und von den Jugendlichen überallhin mitgenommen werden können. In solchen Boxen finden sich beispielsweise Chilischoten und Finalgon-Verbände, die ein brennendes Gefühl auf der Haut auslösen, sowie Gummibänder und Igelbälle.

Tatsächlich: Gehirn beruhigt sich durch Selbstverletzung

Mit diesen innovativen Hilfsmitteln können sich Jugendliche ablenken und einen Schmerzreiz auslösen, ohne dabei tatsächlich Verletzungen zu erleiden. Die sogenannte Skill-Box unterstützt sie zudem bei der Entwicklung von Selbstempathie. Die Behandlung selbstverletzenden Verhaltens gestaltet sich äußerst knifflig, denn sobald Körper und Seele sich an diese Art der emotionalen Bewältigung gewöhnt haben, neigen die Betroffenen dazu, die Abstände zwischen den selbstverletzenden Handlungen zu verkürzen und die Verletzungen zu vertiefen.

Obwohl traumatische Erfahrungen in der Vergangenheit junger Menschen nahezu immer mit diesem Krankheitsbild einhergehen, richtet die Forschung mittlerweile verstärkt ihr Augenmerk auf die Neurobiologie und hormonelle Zusammenhänge. Mithilfe modernster Forschungsmethoden können die Mechanismen, mit denen Emotionen im Gehirn reguliert werden, bildlich dargestellt werden. In der Tat zeigen diese Aufnahmen, dass bestimmte Regionen im Gehirn bei Menschen, die sich selbst verletzen, tatsächlich in dem Moment der Verletzung eine Beruhigung erfahren.

Neurofeedback als neue Regulationsoption

Bildgebende Verfahren dienen mittlerweile nicht nur der Diagnose, sondern werden auch zunehmend in der Therapie eingesetzt. Im faszinierenden Echtzeit-EEG-geführten Neurofeedback können die Patienten:innen mithilfe akustischer und optischer Feedbacks die Selbstregulationsfähigkeit des Gehirns verbessern. Dieser Effekt der Selbstwirksamkeit erweist sich als äußerst hilfreich, da er den Jugendlichen das Gefühl vermittelt, wieder Kontrolle über ihren eigenen Körper und ihre eigenen Empfindungen zu erlangen, die ausschließlich ihnen gehören.

Psychotherapie bei Borderline-Störung mit Selbstverletzung

Die Borderline-Störung, begleitet von Selbstverletzung, ist ein komplexes Krankheitsbild, das oft von Ängsten begleitet wird. Bedauerlicherweise sind nur etwa 30 % der niedergelassenen Therapeuten:innen bereit, mit Borderline-Patienten:innen zu arbeiten. Die zentrale Komponente bei der Behandlung ist die Psychotherapie. In der Therapie versuchen Patienten:innen gemeinsam mit ihren Therapeuten:innen, die Ursachen für ihre selbstverletzenden Verhaltensweisen zu erforschen. Ein wichtiger Schwerpunkt besteht darin, den Betroffenen alternative Wege aufzuzeigen, um mit Wut, Aggression und anderen starken Emotionen umzugehen, anstatt sich selbst zu verletzen. Betroffene berichten von verschiedenen hilfreichen Ansätzen, darunter:

  • Körperliche Betätigung wie Joggen oder Fahrradfahren
  • Achtsamkeitsübungen
  • Kreative Ausdrucksmöglichkeiten wie Malen, Schreiben, Tanzen oder Arbeiten mit Ton
  • Entspannungstechniken
  • Lautstarkes Singen
  • Aktivitäten im Freien, bei denen man laut schreien kann
  • Auf ein Kissen oder einen Boxsack einschlagen

Die therapeutischen Verfahren werden entsprechend der individuellen Ausprägung der Erkrankung gestaltet. Eine kognitive Verhaltenstherapie kann beispielsweise dazu beitragen, dass Betroffene neue Bewältigungsstrategien für belastende Momente erlernen und Auslösesituationen identifizieren.

Eine erfolgreiche Therapie erfordert, dass alle Facetten der Erkrankung des Betroffenen berücksichtigt werden. Zu Beginn werden Suizidgedanken und andere Faktoren, die den Therapieprozess beeinflussen könnten, behandelt. Abhängig von den individuellen Symptomen können verschiedene Therapiemethoden kombiniert werden, darunter Einzel- oder Gruppentherapie, medikamentöse Behandlung und Krisenintervention.

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