Lesetipp: Lernen, die Welt richtig zu sehen

Viele Menschen sehen die Welt negativer als sie ist. Und diese Menschen leiden nicht einmal zwingend an einer Erkrankung wie Depression oder einer depressiven Persönlichkeitsstruktur. Es liegt wohl in der Natur des Menschen. Denn das menschliche Gehirn ist evolutionär darauf ausgerichtet, Gefahren zu erkennen und sich zu schützen. Die Herausforderung heute besteht nun darin, den gedanklichen Schwerpunkt umzulenken und die Gegenwart realistisch einschätzen zu können. Hans Roslings, Professor für Internationale Gesundheit am Karolinska Institutet, Buch „Factfulness*“ räumt mit der Geisteshaltung des negativen Überdramatisierens auf und gibt den Leserinnen und Lesern Denkhilfen zur besseren Wahrnehmung an die Hand. Das Buch wurde posthum veröffentlicht.

Realistisch denken kann man lernen

Die Forscher erkannten, dass sachlich richtige und neutral aufbereitete Informationen nicht genügen, um die evolutionär geprägte negative Weltsicht zu korrigieren. Vielmehr braucht der Mensch Denkhilfen, um die Welt um ihn herum korrekt einschätzen zu können. Diese stellen Hans Rosling, sein Sohn Ola Rosling und dessen Frau Anna Rosling Rönnlund in „Factfulness: Wie wir lernen, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist“ vor. „Das Interessante an den Forschungsergebnissen an mental gesunden Probanden sind die Parallelen zu Menschen, die im Rahmen von Erkrankungen an einer negativen oder pessimistischen Einstellung leiden. Denn auch in der Therapie von psychosomatischen Beschwerdekomplexen oder von depressiven Störungen erarbeiten wir gemeinsam mit den Patienten eine weniger pessimistisch gefärbte, deutlich realistischere Sicht auf sich selbst, die Umwelt und bestehende Konflikte,“ erklärt Carsten Albrecht, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in der BetaGenese Klinik.

Auch krankhafte Negativität kann behandelt werden

In der BetaGenese Klinik in Bonn am Rhein lernen Patientinnen und Patienten neben der intensiven Gesprächstherapie verschiedene Werkzeuge kennen, mit deren Hilfe sie üben, sich aktiv zum Beispiel selbst beruhigen zu können und sich in positivere Gemütszustände zu versetzen. „Positive Erinnerungen, eine interessante Begegnung oder ein morgendliches Sportprogramm können schon im kleinen Rahmen dabei helfen, sich positiver gestimmt zu fühlen,“ erklärt Carsten Albrecht, leitender Oberarzt der Privatklinik für Psychosomatik und Psychiatrie.

Bücher wie „Factfulness“ sind ein Ansatz dafür, ein Bewusstsein für die Veränderung zum Guten in der Welt zu schaffen. „Menschen für positives Denken zu sensibilisieren ist angesichts der Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation** sehr wichtig. Denn sie geht davon aus, dass Depressionen sich bis 2020 zur zweithäufigsten Volkskrankheit entwickeln werden,“ so Carsten Albrecht zum Trend der Kathastrophisierung. „Eine gesunde Grundstimmung und ein ausgeglichenes Verhältnis zu sich und der Umwelt kann dabei helfen, die Entstehung von depressiven Erkrankungen zu verhindern,“ schließt der Mediziner.

*Factfulness: Wie wir lernen, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist“ ist 2018 im Ullstein-Verlag erschienen und kann beispielsweise bei amazon.de bestellt werden.

**Ein Beitrag zur Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation auf bundesgesundheitsministerium.de

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